Aufgaben und Prinzipien

Scientist Rebellion zielt darauf ab, die gewaltfreie globale Revolution zu entfachen, die notwendig ist, um die anhaltende Zerstörung der Ökosysteme, die das Leben auf der Erde erhalten, abzuwenden. Der IPCC weist darauf hin, dass "jede weitere Verzögerung von konzertierten, globalen Maßnahmen dazu führen wird, dass wir ein kurzes und sich schnell schließendes Fenster zur Sicherung einer lebenswerten Zukunft verpassen werden".1 Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen äußert sich eindeutig, dass "die internationale Gemeinschaft die Ziele von Paris bei weitem nicht erreicht, da es keinen glaubwürdigen Weg zur Einhaltung des 1,5°C Limits gibt" und "nur ein sofortiger systemweiter Wandel die Klimakatastrophe verhindern kann".2 Ein globalisiertes Wirtschaftssystem, das auf der rücksichtslosen Ausbeutung der Natur und der Menschen beruht, ermöglicht durch politische Systeme, die darauf ausgerichtet sind, Unternehmensgewinne in den Vordergrund zu stellen, und die auf undurchsichtige, undemokratische Weise funktionieren, hat die natürlichen lebenserhaltenden Systeme an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig und das schon seit Jahrzehnten. Fehlinformationskampagnen, vor allem seitens der Industrie für fossile Brennstoffe, und ein übertriebener Konservatismus in der Wissenschaftskommunikation haben es den Menschen jedoch viel zu lange schwer gemacht, das schiere Ausmaß des Problems zu erkennen. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Wissenschaftler:innen und die wissenschaftlichen und akademischen Einrichtungen aktiv werden. Wenn wir überleben und eine Welt schaffen wollen, in der wir und künftige Generationen gedeihen können, brauchen wir eine sofortige Notfallreaktion, die der beispiellosen Krise, die wir erleben, angemessen ist. Diese Reaktion muss sich auf alle Bereiche der Gesellschaft auswirken und kann nur auf wirklich demokratischen Entscheidungen beruhen, die den Schutz des Lebens gewährleisten und den Gemeinschaften gerecht werden, die am wenigsten zur Krise beigetragen haben und am stärksten betroffen sind.

Aufgabe und Ziele

In Anbetracht der verzweifelten Lage befinden wir uns als Menschheit in einem sich rasch schließenden Zeitfenster, in dem das Schlimmste noch abgewendet werden kann. Innerhalb der globalen Klimagerechtigkeitsbewegung sehen wir die Aufgaben und Ziele von Scientist Rebellion wie folgt:

  1. Mobilisierung von Akademiker:innen und Wissenschaftler:innen für Aktionen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams. Walk the talk! Wenn diejenigen, die am meisten über die Krise wissen, selbst so weitermachen wie bisher, wer soll dann die Dringlichkeit der Situation begreifen? Wenn Wissenschaftler:innen ihren Ruf und ihre Stellung in der Gesellschaft nutzen, um Normen und Regeln in Frage zu stellen, die von denen aufgestellt wurden, die unsere Zukunft zerstören, können wir die Gesellschaft schneller in Richtung einer großen sozialen Transformation bewegen.
  2. Öffnen der akademischen und wissenschaftlichen Einrichtungen für Diskussionen über die Notwendigkeit von zivilem Ungehorsams. Die wissenschaftliche Gemeinschaft (bestehend aus Einzelpersonen und Institutionen) ist eine Säule der Gesellschaft. Eine solche Säule zu zivilem Ungehorsam zu bewegen, wird den sozialen Wandel schneller katalysieren und ein Dilemma für die Politik darstellen, da sie auf die Zusammenarbeit mit öffentlich finanzierten Organisationen angewiesen ist.
  3. Anderen Gruppen des gewaltfreien zivilen Widerstands Legitimität verleihen, indem wir ihre Aktionsformen sowie ihre Forderungen unterstützen.

Forderungen

Aufgrund der funktionalen Aufgaben von Scientist Rebellion stehen diese übergreifenden Forderungen über allem, was wir tun:

  1. Als Teil der wissenschaftlichen Gemeinschaft fordern wir unsere Kolleg:innen auf, sich den jüngeren Menschen, den am stärksten betroffenen Menschen und Gebieten sowie der breiten Klimabewegung an vorderster Front anzuschließen, indem sie sich an gewaltfreien direkten Aktionen beteiligen und die Zusammenarbeit mit den Akteuren beenden, die zum ökologischen Niedergang und zum menschlichen Leid beitragen.
  2. Wir fordern auch, dass wissenschaftliche und akademische Einrichtungen ihre materiellen und intellektuellen Ressourcen neu ausrichten, um die gesellschaftlichen Veränderungen anzuführen, die notwendig sind, um den Zusammenbruch des Klimas, der biologischen Vielfalt und der Gesellschaft abzuwenden.
  3. Wir fordern eine sofortige Dekarbonisierung im Einklang mit den Empfehlungen des IPCC und des IPBES und Degrowth im globalen Norden, um einen gerechten Übergang zu ermöglichen, und für den globalen Süden, um die erforderliche Infrastruktur zur Anpassung an den Klimawandel und seine Folgen aufzubauen. Diese Übergänge sollten von Bürger:innenversammlungen geleitet werden, um wirklich demokratische Prozesse wiederherzustellen.
  4. Wir fordern die Beendigung des Extraktivismus und die Schaffung von Mechanismen, die die Befriedigung der globalen Bedürfnisse der menschlichen und mehr-als-menschlichen Wesen und ihrer sozialen und natürlichen Umwelt sicherstellen. 
  5. Wir fordern ein sofortiges Ende der undemokratischen und autoritären Herrschaft überall auf dem Planeten, die bedingungslose Freilassung aller Klimaaktivisten und den Schutz und die Anerkennung des Grundrechts, seine Zustimmung zur Teilnahme an einem System zu verweigern, das auf der Ausbeutung der Umwelt beruht, [jetzt und in den kommenden Jahren].

Grundsätze

Scientists in SR

Wissenschaftler:innen teilen das Bekenntnis zur Erkennbarkeit der Natur und zur Abhängigkeit der Wahrheit von experimenteller Replikation und logischer Kohärenz, wodurch wir uns als Mitglieder einer gemeinsamen Gruppe identifizieren können. Wir befürworten und unterstützen die wissenschaftliche Methode - eine Denkweise, die auf logischer Argumentation beruht und Daten, strenge Methoden der empirischen Untersuchung und Peer-Reviews nutzt.

Wissenschaftler:innen sind auch epistemischen Werten verpflichtet (Einfachheit, Vorhersagegenauigkeit, Wahrheit, Objektivität, Kritisierbarkeit, Kohärenz, Unabhängigkeit, Ehrlichkeit, Fairness usw.). Wir wollen eine dualistische Ontologie in den Wissenschaften überwinden, die die Welt in zwei Teile spaltet: in die Welt der Fakten und die Welt der Normen, denn in einer solchen dualistischen Sichtweise fehlt der Natur jede eigene Würde, und das ist nicht das, was das Zeitalter der ökologischen Krise braucht.

Wir heißen Menschen willkommen, die entweder eine Ausbildung zum/zur Wissenschaftler:in machen oder aktiv als Wissenschaftler:in in der akademischen Welt oder im privaten Sektor arbeiten. Scientist Rebellion erkennt auch den unschätzbaren Beitrag von Bürgerwissenschaftler:innen, Wissenschaftskommunikator:innen und Wissenschaftslehrer:innen an, die wissenschaftliche Methoden und Prozesse auf unser Leben anwenden und unser Wissen und Verständnis der Welt erweitern. Scientist Rebellion erkennt die Weisheit indigener Völker an, z. B. der Aborigines und Torres Strait Islander, und lädt sie ein, sich SR anzuschließen.

Wir identifizieren uns oft durch das Tragen von Laborkitteln bei Aktionen. Wir verwenden den Laborkittel als Haltung und politisches Symbol und ermutigen daher ausdrücklich Wissenschaftler:innen aller Fachrichtungen, nicht nur Nasslaborforscher:innen, ihn zu tragen. Es wird vorgeschlagen, dass diejenigen, die bei Aktionen einen Laborkittel tragen, eine formale Ausbildung haben, z. B. einen Bachelor-Abschluss, aber dieser Vorschlag kann von den Gruppen je nach Art der Aktion, der lokalen Gruppenstruktur und den Umständen angepasst werden.

Friedlicher ziviler Ungehorsam (ZU) und gewaltfreie direkte Aktion (DA)

ZU und DA sind Aktionstechniken zur Anwendung von Macht in einem Konflikt durch symbolische Proteste, Verweigerung der Zusammenarbeit und Boykott, aber nicht durch physische Gewalt. Zwar kann Infrastruktur beschädigt werden, doch sollte bei der Planung von Aktionen darauf geachtet werden, dass sie anderen Menschen keinen Schaden zufügen, auch nicht in physischer oder psychischer Hinsicht. ZU und DA sind mutig, störend und medienwirksam, und Menschen, die sich an direkten Aktionen beteiligen, sind bereit, mit Konsequenzen wie Verhaftungen oder Inhaftierungen zu rechnen. ZU und DA sind organisiert und gut geplant. Die Teilnehmer:innen sollten ein Training über ZU oder DA absolvieren, bevor sie sich an Aktionen beteiligen. Der Schutz der Integrität der Teilnehmer:innen ist bei allen Arten von Aktionen von größter Bedeutung.

Radikale Solidarität und das Recht auf Handeln

Wir unterstützen jede ZU-Aktion, die unserer ZU-Definition folgt und auf Untätigkeit gegenüber dem Klima- und Umweltnotstand abzielt. Dies umfasst (a) Aktionen innerhalb von SR, die jeder Person das Recht geben, zu handeln und Aktionen gemäß unserer ZU-Definition zu planen, sowie (b) Aktionen, die von anderen Gruppen durchgeführt werden, die wir durch soziale Medien und andere Mittel unterstützen werden.

Verhaltenskodex und Konfliktlösung

Scientist Rebellion stimmt mit den Prinzipien von Extinction Rebellion überein.3 In den SR-Räumen schaffen wir eine gesunde, widerstandsfähige und anpassungsfähige Kultur, ein sicheres und zugängliches Umfeld. SR ist radikal inklusiv, wohlwollend, weigert sich, Individuen zu beschuldigen und zu beschämen, und begrüßt Konflikte, wenn sie entstehen, und schätzt sie als wichtige Kanäle der Transformation. Der sich daraus ergebende Transformationsprozess sollte je nach SR-Lokalgruppen erfolgen, um kulturelle Unterschiede zu respektieren, und, wenn möglich, in der Muttersprache der Konfliktpartner abgewickelt werden. Um das Vertrauen zu stärken, sollten radikale Kommunikation, Empathie und Authentizität gefördert werden.

Lernen und Veränderung in unserem "Mission Statement" zulassen

Dieser Kodex wird sich in dem Maße weiterentwickeln, wie wir lernen und wachsen, und insbesondere als Reaktion auf das Feedback von unterrepräsentierten Personen und Gruppen.

Struktur und Entscheidungsfindung

Global denken, lokal handeln. Die SR ist eine horizontale, dezentralisierte Organisation, die aus mehreren lokalen Zweigstellen in verschiedenen Ländern besteht, in denen die wichtigsten Diskussionen, Entscheidungen und Aktionen stattfinden. Gemäß unseren Zielen, Forderungen und Grundsätzen kann jede Untergruppe selbst über ihre Aktionen entscheiden, und wir ermutigen die Zweigstellen, lokale Bezugsgruppen einzubeziehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Entscheidungen werden in Verfahren getroffen, die für möglichst viele Mitglieder zugänglich sind, und es sollte immer Raum für Diskussionen und klare Informationen geben. Während die lokalen Zweigstellen lokale Arbeitsgruppen und Aktionen koordinieren, arbeiten sie auch in internationalen Arbeitsgruppen zusammen, insbesondere für koordinierte globale und internationale Aktionen. 

Gerechtigkeit

SR ist solidarisch mit den am stärksten betroffenen Menschen und Gebieten und verleiht ihnen Gehör. SR unterstützt daher Gruppen und Organisationen, deren allgemeine Ziele mit unserem Kampf für Klimagerechtigkeit übereinstimmen. Wir arbeiten daran, die Interkulturalität innerhalb von SR zu erkennen, indem wir die Stimmen der am stärksten betroffenen Menschen und Gebiete sowie historisch marginalisierter Gruppen aktiv erheben und verstärken, z. B. in Interviews und in den sozialen Medien.

Wir ermutigen Wissenschaftler:innen aus allen Teilen der Welt, sich SR anzuschließen. Wir versuchen, die Treffen so zu planen, dass die verschiedenen Zeitzonen berücksichtigt werden, und stellen bei Bedarf übersetzte Materialien zur Verfügung. Jedes Land und jede lokale Gruppe entscheidet über die Aktionen und die Strategie, die für ihren Kontext geeignet sind, wobei unser nicht-hierarchischer Ansatz und das Prinzip der radikalen Solidarität beachtet werden.

Wir wenden uns gegen Unterdrückung und lehnen Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie, Faschismus, Antisemitismus, Altersdiskriminierung und Behindertenfeindlichkeit direkt ab. Wir ermutigen unsere Mitglieder, Unbehagen zuzulassen und ihre eigenen Weltanschauungen zu hinterfragen, indem sie sich alle Perspektiven, Gedanken und Meinungen anhören. Letztlich versuchen wir, die Machtstrukturen zu überwinden, die die Wurzel und den Kern dieser Krise bilden: kolonialistische, rassistische, anti-Behinderungs- und sexistische Strukturen. Aktionen von SR und SR-interne Prozesse zielen darauf ab, marginalisierte, verletzliche oder unterprivilegierte Gruppen gleichberechtigt einzubeziehen.

References and further reading

1. https://www.youtube.com/watch?v=VKhoVnC3lNk

2. United Nations Environment Programme (UNEP) Emissions Gap Report 2022: “The Closing Window – Climate crisis calls for rapid transformation of societies” (https://www.unep.org/resources/emissions-gap-report-2022)

3. https://extinctionrebellion.uk/the-truth/about-us/

Gardner et al. 2021, From Publications to Public Actions: The Role of Universities in Facilitating Academic Advocacy and Activism in the Climate and Ecological Emergency

Engler&Engler “This is an Uprising”, ISBN 978-1568587332